Le club des cinglés du mont ventoux

Wer alle drei asphaltieren Straßen zum Mont Ventoux hinauf radelt, darf sich für den club des cinglés du mont ventoux bewerben. Wer es schafft, im Familienrat mindestens einen Radtag im Frankreichurlaub heraus zuhandeln, darf dies zu mindest versuchen. Letzteres ist mir gelungen und somit konnte diese Geschichte entstehen.

Der Mont Ventoux gehört mit seinen 1909 hm zu den Klassikern der Tour und kann mit dem Rennrad von drei Seiten befahren werden. Malaucène und Bédoin sind als die schwierigen Anstiege bekannt. Den Anstieg aus Sault hebt man sich für den Schluss auf, um zum Finale nocheinmal so etwas wie Genuss erleben zu dürfen.

In Malaucène startete meine Tour. Auf 21,4km müssen im Schnitt 7% Steigung bewältigt werden, wobei die steileren Passagen gegen Ende anstehen. Dass die Startzeit von 11Uhr nicht so geeignet ist, hätte ich bei diesem Anstieg noch gar nicht behauptet. Völlig euphorisiert flog ich den ersten Anstieg hinauf, bekam kaum etwas von den hochsommerlichen Temperaturen mit, wurde von höchsten 2 bis 3 U15 Fahrer(inne)n mit ihren Vätern abgehängt und schaffte es in fast allen Strava Segmenten unter die Top 8000. Nach 20km kam eine Rechtskurve, hinter welcher das erste Mal der Gipfel des Riesen zu sehen ist. Gebettet auf einer Geröllhalde steht etwa 400m höher der berühmte Turm. Hier entzündet sich ein Turbo der Begeisterung, der die letzten Serpentinen einebnet. Allerdings kann ich diesen Effekt nicht garantieren, sollte jemand diesen Anstieg als Finale des Vorhabens wählen. Nach 1:49h und 11,8km/h im Schnitt stand ich bei meinen Mädels, die an diesem Tag Gipfeltourismus und Unterstützungsarbeit auf höchstem Niveau kombinierten.

Der erste Abschied von einer fantastischen Aussicht über die wolkenlose Provence und die Abfahrt nach Bédoin verlief völlig gebremst. Eine Speiche hatte sich bei einem meiner 2000W Antritte verabschiedet und mein Vorderrad malte mit unzähligen Achten einige Horroszenarien in meinen Kopf. Langsam war es trotzdem nicht und in Bédoin gibt es ja Gott sei Dank den ein oder anderen Radladen. Es fühlte sich etwas wie bei der Tour an. Schrottiges Vorderrad raus, neues Vorderrad rein. Nur dass die Profis wohl nicht die Visa Karte ins Gerät stecken müssen, bevor die wieder attackieren. Egal, ich war ja im Urlaub.

Jetzt ging es wieder hinauf. 20km, 1550hm und im Schnitt 8%. Ach herjee, war das auf einmal heiß. Ich klammerte mich an Saschas Weisheit: Lächele, wenn es anstrengend wird. Es muss verzerrt ausgesehen haben, aber half mir tatsächlich über die ersten 2km. Danach ärgerte ich mich darüber, dass ich zu faul war, eine Kompaktkurbel zu montieren. Der Versuch daraus mit dem Motto "Wenn schon, denn schon" eine Tugend zu machen, hielt ähnlich lange wie Saschas Weisheit. 14km noch. Inzwischen hatte ich 12 Kinder Fruchtmus Packungen vertilgt und befand mich auf einer Strecke von 400m in der Gesellschaft zweier älterer Herren. Wir sprachen uns Bonne Courage zu und ich war mir sicher, wenn sie es schaffen, dann schaffe ich es auch. Jetzt fing der erste an zu schieben. Jahrzehnte Raderfahrung im Land der Tour können sich nicht irren und somit hielt ich das sofort für die beste und sinnvollste Idee der Welt und war runter vom Rad. Der Monsieur hinter mir schob nun auch. 9km noch. Die folgenden 3km vergingen zäh. Ich versuchte zu lächeln und kam schließlich am Chalet Reynard, 6km unterhalb des Gipfles an. Cola, Fruchtmus und weiter lautete die Devise. Von nun an war der letzte Baum verschwunden und ich briet in der Sonne. Die Aussicht war weiter wolkenlos. Berge, Berge, Berge - ja kannte ich ja schon und so toll ist das ja nun auch wieder nicht. 3km noch. Im Flimmern des Asphalts kommt unser Auto auf mich zu. Die Mädels habe es oben in der Hitze nicht mehr ausgehalten und wollten nun ins Tal. Ich trank ihre letzten Wasserreserven aus, schlug das Angebot einer (sonst leckeren) französischen Salami aus und ließ mich von der Liebe zum Radfahren auf den Gipfel tragen. 2:46h (7,5km/h) hatte ich für die 20km gebraucht - davon 54min für die letzten 6km.

Auf dem Gipfel trafen sich mein Verstand, mein eiserner Wille und die aufgebrühten Gehirnzellen zu einer Strategiebesprechung. Das Ergebnis: Runter geht ja es ja immer, ordentlich essen und dann kann ich in Sault entscheiden wie es weiter geht. Nach einem Tiefflug durch Lavendelfelder entschied ich mich für den Aufstieg. Es wurde inzwischen einsam auf den Straßen. Ich genoß den Duft von Seife in und den Fahrtwind um die Nase, denn rückblickend auf die letzten Stunden lief es super. Wenn doch nur nicht die letzten 6km vom Chalet Reynard wären. Als ich dort ankam, stand auf dem Riesenparkplatz nur noch ein Auto auf dem Parkplatz. Ich legte mich erstmal 5 Minuten neben das Auto und meine Crew hüllte mich in Salben der Aufmunterung und Hinweisen, dass sie schon ganz schön lange warten. Da hieß es Profi sein. Ich warf alles ins Auto, was nicht für eine Kurbelumdrehung benötigt wurde, spülte das letzte Mus mit einer Cola runter und drehte zum Finale auf. Wie leicht es doch ohne Ersatzmantel, Schläuche, Pumpe, Telefon, Geld und dem Müll der Muspackungen ging. Auf der Straße stehen Namen wie Froome, Bardet und Voeckler. 3km vor dem Gipfel steht "attaquez" - das wäre etwas zu viel des Guten gewesen und ich fühlte mich veräppelt. Immerhin bin ich aber tatsächlich ohne Schieben den letzten Anstieg hochgekommen.

Die letzte Abfahrt war ein Riesenspaß. Mit durchschnittlich 48km/h auf 21km weiß ich nun, wie sich andere beim Zeitfahren fühlen und blicke auf ein brutales, aber auch fantastisches Abenteuer zurück.

Webseite Club des Cinglés


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